23. Februar 2015

Der Gärtnerblick auf die Landschaft


Viele gartenbegeisterte Menschen (oder gar alle?) sind aufmerksame Naturbeobachter und Naturbeobachterinnen. Spaziergänge oder Wanderungen durch Feld, Wald und Wiesen zu Hause wie im Urlaub sind unverzichtbare Bestandteile ihres Lebens. Man lässt Landschaftsbilder auf sich wirken, man sucht nach den positiven, schönen Eindrücken. Der schweifende Blick heftet sich an weite Ausblicke, seltene Pflanzen, majestätische alte Bäume, blühende Wiesen, Klatschmohnfelder und was die Welt an Herrlichkeiten zu bieten hat.

In fast jeder heimischen Landschaft gibt es aber auch weniger liebliche Bestandteile wie Straßen, Silos, Strommasten, Industriegebiete und was der Mensch so braucht aber nicht besonders schön findet. Trotzdem richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Angenehme und blendet das Hässliche aus. 

Oder geht es nur mir so...?

Ein abgebrannter Dachstuhl und ein Spanplattenwerk schmälern nicht meine Begeisterung für die üppig blühende Wiese am Unterlauf des Flusses.



In den letzten Jahren, in denen ich mich unter anderem mit landschaftstypischen Elementen in dem von mir gepflegten Park auseinandergesetzt habe, hat sich mein Blick auf die Welt verändert. Inzwischen sehe ich in vielen Landschaftsbildern zuerst das gärtnerische Potenzial. So wird in meiner Wahrnehmung ein Streifen aus Wasserdost und hohen Gräserhorsten entlang eines Waldweges zur endlosen Staudenrabatte, ein lockerer Hain zum englischen Landschaftspark und ein frühlingsblühender Waldboden zum Schattengarten.
Diese natürliche Vegetation am Wegrand in der freien Landschaft lässt Assoziationen an eine Staudenrabatte zu. Die zufällige Kombination lässt eine Rhythmik erkennen, als wäre sie geplant und angelegt worden.

Diese parkähnlichen Strukturen am Hang entwickelten sich durch Wildverbiss in einem Rotwild- Rückzugsgebiet.


Ob diese spezielle Betrachtungsweise durch die Gestaltungsbrille des Gärtners eine Erweiterung oder eine Einschränkung in der persönlichen Naturwahrnehmung bedeutet, müssen andere als ich beurteilen. Jedenfalls bringt mich diese Sichtweise dazu, auch den Standortbedingungen und Konkurrenzverhältnissen nachzuspüren, die zu diesem Ergebnis geführt haben.

Wer das Gartenhafte in der Landschaft wahrnimmt, kann früher oder später auch auf Gedanken zum Thema Pflege kommen. Wäre es sehr vermessen, hier und dort etwas einzugreifen, um das Bild für längere Zeit zu erhalten - oder sogar noch zu verbessern? 

In der freien Landschaft ein schöner Anblick. Im eigenen Garten würde man hier wohl eingreifen wollen.


Für mich habe ich meine Antwort gefunden. Ermutigt von den überraschenden Erfolgen im Schlosspark durch die subtraktive Gestaltung habe ich an einigen Stellen an Wanderwegen bereits Hand angelegt. Es entwickeln sich geheime öffentliche Gärten im Wald. Oberstes Prinzip ist natürlich wie immer, nichts hinzuzufügen, sondern die Entwicklung zu lenken. Die Ergänzung der Vegetation durch Gartenpflanzen habe ich mir hier strengstens untersagt.

Im Laufe des Jahres werde ich hier Bilder der geheimen Gärten zeigen. Um die Verwandschaft von Garten und Landschaft zu verdeutlichen, zeigen die Bilder des heutigen Beitrags allesamt noch unbegärtnerte Landschaft.


Nicht nur im Mittelgebirge gibt es gartenähnliche Landschaften. Dieser "Landschaftspark" entwickelte sich von selbst auf einer Brachfläche mitten in einem großen Industriegebiet in Ludwigshafen. Aber ohne Pflege wird er nicht ewig bestehen bleiben.


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