25. Januar 2015

Wildstauden für den Waldrand

Natürliche Prozesse können dem Gärtner viel Pflegearbeit verursachen. Oder sie können ihm die Pflege erheblich erleichtern – je nach persönlichem Geschmack.
Wäre es darüber hinaus möglich, die Planung eines ganzen Gartenbereichs weitgehend der Natur zu überlassen? Ein Ansatz hierzu ist das Blackbox-Gardening. Nach dem Pflanzen oder Aussäen entscheidet auf lange Sicht der Zufall, wo neue Pflanzen keimen. Der Gärtner greift durch Auswahl dieses natürlichen Angebotes in die Entwicklung ein und versucht sie so zu einem schönen Ergebnis zu lenken.
Noch einen Schritt weiter geht der Ansatz, den ich auf manchen Flächen im Landschaftspark des Schlosshotels Bühlerhöhe gewählt habe. Hier wurde sogar auf die anfängliche Ansaat oder Pflanzung verzichtet. Sonst ist die Vorgehensweise die gleiche. Der Gärtner versucht, die natürliche Ausbreitung der vorhandenen Waldbodenflora zu nutzen und zu einem ästhetisch befriedigenden Ergebnis zu lenken. Weil nichts hinzugefügt wird und alle Pflege- und Gestaltungsarbeiten (Jäten, Schneiden, Fällen...) ein Entfernen von Pflanzenmaterial bedeuten, nenne ich diesen Ansatz "Subtraktive Gartengestaltung".

Waldbodenpflanzen
Diese Pflanzengesellschaft hat sich mit wenig Pflegearbeit im lichten Schatten eingestellt: Weiße Pestwurz (Petasites albus - große Blätter) mit Wurmfarn, Hain-Sternmiere (Stellaria nemorum - weiße Blüten), verwilderter Pyrenäen-Storchschnabel (Geranium endressii - rosa Blüten) und andere Arten

In dichten Wäldern, in denen kaum ein Lichtstrahl den Boden erreicht, kann außer Bäumen nichts wachsen. Entsprechend kahl und eintönig wirkt der Waldboden. In aufgelockerten Wäldern dagegen kann es dazu kommen, dass eine konkurrenzstarke Pflanzenart die Oberhand erringt und eine eintönige Fläche dieser Art im lichten Baumschatten entsteht. Auf der Bühlerhöhe hatte eine Brombeer- Art diese Rolle des ungeliebten Platzhirsches eingenommen.

Seitdem die Brombeeren durch schonende Mahd und gezieltes Jäten zurückgedrängt werden, kommen die bis dahin unterdrückten Arten immer mehr zum Vorschein und das gärtnerische Potenzial der Waldflächen wird offensichtlich.


Kriechender Günsel (Ajuga reptans - blau im Vordergrund), Fingerhut (Digitalis purpurea - noch nicht blühend im Hintergrund) und Wurmfarn in einer Fläche aus Hain- Sternmiere und Waldmeister.

Inzwischen sehe ich den Waldboden als ein großes Schattenbeet an. Wie in geplant bepflanzten Rabatten kann man Leitstauden, Füllpflanzen und Flächendecker benennen. Man kann die Entwicklung einer Pflanzengesellschaft positiv beeinflussen, indem man bei der Pflege darauf achtet, Arten aus den unterschiedlichen Gruppen beieinander zu behalten ohne dass eine Gruppe die Überhand gewinnt. In der Praxis behindere ich zum Beispiel die Ausbreitung der Leitstaude Pestwurz durch jährliches Abstechen und Ausgraben der äußeren Rhizome. In der gestörte Erde kann sich der zweijährige Storchschnabel Geranium robertianum als Begleiter dauerhaft erhalten. Von Zeit zu Zeit werden einzelne Wurmfarne entfernt. So entstehen harmonische Ansichten wie in den beiden oberen Bildern.

Die Leitstauden brauchen keine ausgeprägte Blüte, um ihre Funktion auszufüllen, sondern müssen sich vor allem durch ihre prägnante Struktur von den Flächendeckern abheben. Hier einige Beispiele aus dem Schlosspark Bühlerhöhe:



Beispiele für Leitstauden:
  1. Roter Fingerhut - Digitalis purpurea
  2. Fuchs' Greiskraut - Senecio ovatus
  3. Gewöhnlicher Wasserdost - Eupatorium cannabinum
  4. Schuppiger Wurmfarn - Dryopteris affinis 
  5. Wald- Trespe - Bromus ramosus
  6. Ährige Teufelskralle - Phyteuma spicatum
  7. Weiße Pestwurz - Petasites albus


 Beispiele für Füllpflanzen:

  1. Stinkender Storchschnabel - Geranium robertianum
  2. Wurmfarn - Dryopteris filix-mas
  3. Kriechender Günsel - Ajuga reptans
  4. Goldnessel - Lamium galeobdolon
  5. Weicher Frauenmantel - Alchemilla mollis
  6. Rote Lichtnelke - Silene dioica
  7. Große Sternmiere - Stellaria holostea
  8. Wald- Ziest - Stachys sylvatica
Waldbodenpflanzen
Gleichstarke Flächendecker können über Jahre miteinander konkurrieren ohne sich gegenseitig zu verdrängen. Dieser dichte Waldbodenteppich besteht aus Waldmeister, Wald- Sauerklee, Kleinem Immergrün und der Erdbeer- Waldsteinie.
 
 Beispiele für Flächendecker:
  1. Wald- Sauerklee - Oxalis acetosella
  2. Waldmeister - Galium odoratum
  3. Harzer Labkraut - Galium saxatile
  4. Hain- Sternmiere - Stellaria nemorum
  5. Erdbeer- Waldsteinie - Waldsteinia fragarioides
  6. Kleines Immergrün - Vinca minor
  7. Hain- Gilbweiderich - Lysimachia nemorum


Wie gesagt will ich diese Liste nicht als Pflanzvorschlag verstanden wissen, sondern sie soll die möglichen Funktionen bereits vorhandener Wildstauden verdeutlichen.


Ein "bayrischer" Waldboden in weißblau mit Kleinem Immergrün (Vinca minor) und Wald- Sauerklee (Oxalis acetosella) im April.

Im Park des Schlosshotels Bühlerhöhe stehen neben den typischen und untypischen Waldbodenstauden auch andere prägende Landschaftsbestandteile zur Verfügung. Wald, Felsen, Wiesen und die Aussicht auf die Rheinebene sorgen gemeisam mit der subtraktiv gestalteten Vegetation für ein verdichtetes Abbild der umgebenden Landschaft.


Moossteine
Fuchs' Greiskraut (Senecio ovatus) ist willkommen als einer der wenigen heimischen Spätsommerblüher.


2 Kommentare:

  1. Oh, wie ich mich freue, dass du einen Blog gestartet hast! Und gleich mit meinem Lieblingsmotiv, dem bemoosten Felsen... ich freue mich schon auf weitere Beiträge!

    LG, Katrin

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  2. Wunderschöne Bilder. In diesem Schwarzwaldgarten möchte ich verweilen.

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